Dem Hypertoniker steht gerade diese ordnende, innerliche Mitte nicht zur Verfügung. Nicht selten ist der Hypertoniker übererregt und gereizt. Oft ist er nicht in der Lage auf innere und äußere Überbelastung ausgleichend zu reagieren. Das Bewusstsein wie auch der Atem und sogar die ganze Muskulatur und Haltung sind zu angespannt und der Betroffene kann keine Ruhe finden.
Meist befindet sich der Sympathikus im Dauertonus und der Parasympathikus kommt gar nicht mehr zum Einsatz. Hier wirkt die Flankenatmung mit ihrer weitenden, ausdehnenden und befreienden Geste sehr, sehr günstig, ebenso die Mittenatmung bzw. Herzatmung. Bei der Mittenatmung haben gerade die tieferen Inhalte und Vorstellungsbilder bei den Übungen einen beruhigenden und zentrierenden Wert, auch für den Atem. Durch die Vorstellungsbilder geht es über ein reines “Spüren nach innen” weit hinaus.
Durch den Einsatz dieser vertiefenden Vorstellungsbilder beim Üben eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten des Empfindes und Erlebens. Diese besondere Übungspraxis schenkt dem Menschen die Möglichkeit den Anforderungen mit mehr Klarheit, Übersicht und Ruhe zu begegnen.
Kurze Schilderung der Symptomatik
Bei einem Patienten (53 Jahre) mit länger bestehendem Bluthochdruck konnte nach Einsetzen eines Stents wegen koronarer Herzkrankheit der Blutdruck trotz Medikamente nicht dauerhaft gesenkt werden. Weiterhin bestand ein innere Unruhe und Konzentrationsschwäche, welche zu einer Einschränkung der Alltagsbewältigung führte. Dadurch stellte sich zunehmend eine Unzufriedenheit ein, der Selbstwert wurde reduziert und depressive Verstimmungen nahmen zu.
Übungsansatz
Die Übungen der freien Atemschule zielten darauf ab, eine geordnete, innere Mitte wieder zu fördern. Dafür waren Atem- wie auch Körperübungen gerade mit ihren ordnenden und zentrierenden Vorstellungsbildern wesentlich.
Es wurde z. B. mit Gleichgewichtsstellungen gearbeitet (Baum/tadasana, Andreaskreuz/sandhisthana, Zehenspitzenstellung/padangusthasana ). Diese fordern bei dem Übenden eine Wachheit und eine feinere Wahrnehmung heraus, Eigenschaften, die meist gerade dem Hochdruckpatienten fehlen.
Es wurde mit der Atemübung (siehe Randbild) und Körperübungen der Flankenatmung (z. B. das Dreieck/trikonasana, die stehende Kopf-Knie-Stellung/uttanasana, die Waage/tuladandasana) gearbeitet. Bei den Körperübungen wird durch weite und freie Armgesten gerade die für den Hochdruck so wesentliche Nierenregion entfaltet und entlastet.
Fazit
Die Erfahrungen zeigen, dass sich der Blutdruck relativ gut und schnell unmittelbar nach einer Stellung (durch Messung bestätigt) ins Gleichgewicht bringen lässt. Die nachhaltige Stabilisierung des Blutdrucks geschieht jedoch durch wiederholte Praxis. Der Zeitraum bis zur Stabilisierung ist individuell unterschiedlich. Beim o.g. Patienten hat sich der Blutdruck innerhalb von ca. 2 - 3 Wochen stabilisiert und ist bis auf weiteres stabil geblieben.
Erfreulich war es zu beobachten, dass sich das Empfindungsleben des o.g. Patienten durch die neuen und freudigen Erfahrungen der Übungen der freien Atemschule so positiv verändert hat. Er entwickelte wieder Ruhe, bekam Zuversicht und hatte wieder Perspektive für die Zukunft gewonnen.
Genau diese durch die Übungen ermöglichten neuen, gelösteren und befreienden Erfahrungen und Empfindungen führten zu einer Beruhigung und Stabilisierung des Blutdrucks. Auch begegnet er den Alltagsanforderungen wieder mit mehr Gestaltungskraft und fühlt sich den Aufgaben des Alltags besser gewachsen.